(EuGH,Rs. С-593/13, Rina Services и. a.)
Kristina Sirakova
Die Autorinführt in die Problematik ein, indem sie die Entstehungsgeschichte derumstrittenen Richtlinie2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) schildert. Diese stand in einigen EU Mitgliedstaaten unter harter Kritik, insbesondere weil ihre ursprüngliche Fassung das Herkunftslandprinzip vorsah. Im Laufe der Verhandlungen wurde dieses jedoch aufgegeben und durch einen neuen Art. 16 erstezt, der den Titel „Dienstleistungsfreiheit“ trägt.
Des Weiteren regelt die Richtlinie in ihren Art. 14f. die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer. Dabei ist bemerkenswert, dass Art. 14 eine Liste stets unzulässiger Maßnahmen enthält, während Art. 15 Rechtfertigungsmöglichkeiten vorsieht. Sowohl die Dienstleistungs- als auch die Niederlassungsfreiheit sind aber auch bereits primärrechtlich geregelt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Regelungen zueinander stehen. Diese Frage ist deswegen wichtig, weil sie in jedem Fall relevant ist, in dem der Schutzbereich der Richtlinie eröffnet ist und eine der beiden genannten Grundfreiheiten betroffen ist.
Der Artikel stellt die relevante Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) dar und analysiert diese im Hinblick auf die oben gestellte Frage.
In der Rs.Duomo Gpa u.a. untersuchte Generalanwalt CruzVillalón zwar die umstrittenen nationalen Rechtsvorschriften nur anhand der Richtlinie. Dennoch stellte er explizitfest, dass es sich um keine „klassische“ Vollharmonisierung handele.Der EuGH erklärte seinerseits die Richtlinie für nicht anwendbar, so dass er sich über die Frage des Verhältnisses der Richtlinie zum AEUV nicht äußerte.
Anders sah die Rechtslage in Rs.Rina Services u.a. aus. Der EuGH hatte im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens darüber zu entscheiden, ob ein nationales Erfordernis für bestimmte Aktiengesellschaften, ihren satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines konkreten Mitgliedstaates zu haben, mit dem Europarecht vereinbar ist. Der Generalanwalt – interessanterweise wieder CruzVillalón–statuierte, dass Art. 16 der Richtlinie eine Vollharmonisierung bezwecke, so dass die streitige nationale Rechtsvorschrift nur anhand der Richtlinie zu untersuchen sei. Er stellte einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit fest, ohne dass dieser gerechtfertigt werden konnte. Daher erklärte er die nationale Rechtsnorm für mit dem Europarecht unvereinbar.
Weniger explizit ist die Entscheidung des EuGH. Der Gerichtshof prüfte das nationale Erfordernis zwar auch nur anhand der Richtlinie und stellte fest, dass es gegen ihren Art. 14 verstöße. Da die darin aufgezählten Maßnahmen stets unzulässig sind, kam der EuGH zu demselben Ergebnis wie der Generalanwalt. Mit den Argumenten der Schlussanträge setzte sich der Gerichtshof allerdings nicht auseinander. Hinweise und Kriterien für die Prüfung, wann eine Vollharmoniserung vorliegt, enthält die Entscheidung auch nicht.
Die Autorin ist der Auffassung, dass die Entscheidung zweierlei verstanden werden kann – entweder hat der EuGH mit seinem Urteil in Rs. C-593/13 das Verhältnis zwischen der Dienstleistungsrichtlinie und dem Primärrecht abschließend geklärt oder ist die Frage immer noch klärungsbedürftig. Es bleibt abzuwarten, wieder Gerichtshofdie eigene Entscheidung zukünftig behandeln wird.
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Линк съм статията на български език: СЪОТНОШЕНИЕТО МЕЖДУ ДИРЕКТИВАТА БОЛКЕСТЕЙН И ПЪРВИЧНОТО ПРАВО НА ЕС
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